Cannabis bei ADHS: Große Hilfe oder großes Risiko?

team members looking at the laptop

ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) gilt als eine der am häufigsten diagnostizierten psychischen Erkrankungen in Deutschland. Dabei sind bei Weitem nicht nur Kinder betroffen. Auch im Erwachsenenalter kann ADHS diagnostiziert werden. Um die typischen Symptome zu lindern und den Alltag besser zu bewältigen, setzen einige Betroffene auf den Konsum von Cannabis - entweder durch einen Arzt verschrieben (was allerdings bisher eher selten vorkommt) oder durch Selbstmedikation.

Wir haben uns genauer angeschaut, woher das große Interesse für Cannabis bei ADHS rührt und die wichtigsten Studien zum Thema zusammengefasst. Wie sinnvoll ist der Einsatz von Cannabis bei ADHS? Welche Nebenwirkungen und Risiken gibt es?

Das Wichtigste in Kürze:

  • Neben Kindern leiden nach neuesten Erkenntnissen knapp 2 Millionen Erwachsene in Deutschland an AD(H)S. Während bei Kindern die Hyperaktivität oft eine große Rolle spielt, leiden die Erwachsenen vor allem an Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit und an Impulsivität.
  • Einige Menschen setzen auf den Konsum von Cannabis, um ihre Symptome zu lindern. Sowohl der psychoaktive Cannabis-Bestandteil THC als auch das nicht psychoaktive CBD können sich durch ihre Interaktion mit dem Endocannabinoid-System positiv auf die ADHS-Symptome auswirken.
  • Nach aktuellem Forschungsstand überwiegen die Nebenwirkungen und Risiken des Cannabiskonsums aber die möglichen Vorteile bei Weitem. Wenn klassische ADHS-Medikamente (z.B. Ritalin) nicht wirken oder nicht vertragen werden, kann eine Cannabis-Therapie aber trotzdem sinnvoll sein.

ADHS bei Kindern und Erwachsenen

ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) ist durch die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität gekennzeichnet. Diese betrifft oft auch Erwachsene - ADHS besteht bei etwa jeder zweiten Person bis ins Erwachsenenalter fort. Etwa zwei Millionen Erwachsene sind Schätzungen zufolge betroffen.

Während die motorische Unruhe/Hyperaktivität bei vielen Erwachsenen weniger ausgeprägt ist, fühlen sich Erwachsene mit ADHS trotzdem oft innerlich unruhig. Auch die Impulsivität bleibt in Teilen bestehen: Häufig fällt es auch im Erwachsenenalter schwer, Einfälle genauer zu überdenken oder Dinge abzuwarten.

Das sorgt oftmals für Einschränkungen in Beruf und Alltag, die Betroffenen leiden darunter und fühlen sich, als würden sie in der Gesellschaft nicht ausreichend funktionieren. Termine werden vergessen, Absprachen nicht eingehalten, Ziele nicht planvoll verfolgt.

Cannabis und ADHS - die Studienlage

Im Jahr 2023 ergab eine größere Metastudie (1), dass die Studienlage zur Anwendung von Cannabis bei ADHS insgesamt eher dünn ist. Während die Wirksamkeit bei anderen Symptomatiken (z.B. Schmerzen, Schlafstörungen, Epilepsie) durchaus umfassend untersucht und belegt wurde, sieht die Sache bei ADHS & Cannabis anders aus.

Gerade zur Behandlung von ADHS mit Cannabis wurde bisher kaum geforscht. Der Schwerpunkt der meisten Studien lag laut Metastudie darauf, inwieweit sich der Cannabis-Konsum negativ auf die ADHS-Symptome auswirkt. Einige wenige Studien untersuchten die mögliche positive Wirkung von Cannabis auf die ADHS-Symptome, darunter eine Studie zur Selbstmedikation von 2022. (2)

Gleichzeitig gibt es sehr umfangreiche Ergebnisse dazu, wie Cannabis die Stuktur des Gehirns verändert. Das ist vor allem beim sich entwickelnden Gehirn von Kindern und Jugendlichen relevant. Auch das Thema Cannabisabhängigkeit ist längst nicht abschließend geklärt. (4)

Wie wirkt Cannabis auf das Gehirn?

Die vermutete Wirksamkeit von Cannabis bei ADHS hängt mit der Wirkung der enthaltenen Cannabinoide (vor allem THC und CBD) auf Gehirn und Körper zusammen. Sie beeinflussen das Endocannabinoid-System. Dieses komplexe System aus Enzymen und Rezeptoren steuert unter anderem Schlaf, Appetit, Immunsystem und Stimmung.

Ein wichtiger Botenstoff hierbei ist Dopamin, dessen Ausschüttung durch THC beeinflusst werden kann. ADHS wiederum wird unter anderem mit einem zu niedrigen Dopamin-Spiegel im Körper in Verbindung gebracht. Auch Anwender berichten, dass die Einnahme von THC ihnen hilft, fokussierter und weniger impulsiv zu sein. (2)

Gleichzeitig bringt THC ganz spezifische Nebenwirkungen mit sich: Es wirkt psychoaktiv, kann körperlich abhängig machen und bei bestimmten Personen sogar Psychosen auslösen. Das weitere Cannabinoid CBD hingegen wirkt nicht psychoaktiv und generell weniger stark als THC.

Es beruhigt und verbessert den Schlaf. Womöglich könnten besonders CBD-reiche Cannabis-Sorten also vorteilhaft für die Betroffenen sein.

Cannabis bei ADHS auf Rezept

Grundsätzlich kann eine Cannabis-Therapie Betroffenen mit ADHS helfen - vor allem im Erwachsenenalter. Bei Jugendlichen ist dringend vom Gebrauch von Cannabis abzuraten, da sich das Gehirn noch in der Entwicklung befindet.

Weil die Diagnose ADHS aber auch bei immer mehr Erwachsenen gestellt wird, gehen einige Ärzte dazu über, Cannabis bei ADHS zu verschreiben. Voraussetzung ist, dass andere, bewährte ADHS-Medikamente nicht ausreichend wirken oder nicht vertragen werden.

Die Verschreibung von Cannabis auf Rezept ist in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen möglich. ​In Deutschland kann medizinisches Cannabis seit 2017 bei schwerwiegenden Erkrankungen verschrieben werden, wenn andere Therapien nicht ausreichend wirksam sind und eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf zu erwarten ist.

Seit dem 1. April 2024 erfolgt die Verordnung über ein elektronisches Rezept, ohne dass ein Betäubungsmittelrezept erforderlich ist. Bei gesetzlich Versicherten ist in der Regel eine Genehmigung der Krankenkasse notwendig. Fachärzte bestimmter Fachrichtungen können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ohne vorherige Genehmigung verschreiben.

Nebenwirkungen mit ADHS-Medikamenten

Viele ADHS-Patienten bekommen Medikamente, darunter das recht bekannte Ritalin (Wirkstoff Methylphenidat). Seit 2011 gibt es das Medikament auch für Erwachsene mit ADHS.

Generell wird Ritalin bei passender Dosierung gut vertragen. Problematisch wird es allerdings, wenn die Patienten zusätzlich ohne ärztliche Absprache Cannabis konsumieren. So zeigte eine Studie von 2016, dass die gleichzeitige Einnahme von THC und Ritalin zu erhöhtem Herzschlag und Blutdruck sowie zu stärkeren subjektiven Wirkungen führte als jeder Wirkstoff allein. Zudem nahm die kognitive Leistung ab.

Zwar ist hier noch weitere Forschung nötig, dennoch ist größte Vorsicht bei der Kombination von THC-haltigem Cannabis und Ritalin geboten. Das gilt auch dann, wenn Ritalin als vermeintlicher "Leistungssteigerer" eingesetzt und gleichzeitig Cannabis konsumiert wird.

Interessant zu wissen: Zum aktuellen Zeitpunkt rät der Verein ADHS Deutschland e.V. von der Verwendung von Cannabis bei ADHS ab, macht aber auch deutlich: "Als Selbsthilfeverband geht es dem ADHS Deutschland e.V. nicht um eine Beschränkung der individuellen Bemühungen der Betroffenen, alle Optionen auszuschöpfen, von denen sie sich Linderung bei ihren Leiden erhoffen." (5)

Unser Fazit: Cannabis-Therapie bei ADHS? In Einzelfällen sinnvoll

Insgesamt fehlen groß angelegte, kontrollierte Studien, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis bei ADHS eindeutig zu bewerten. Wichtig ist daher zunächst, eine eindeutige Diagnose zu stellen und gemeinsam mit dem behandelnden Arzt mögliche Alternativen zur Cannabinoid-Therapie (z.B. Verhaltenstherapie, medikamentöse Behandlung) auszuprobieren. Erzielen diese nicht die gewünschte Wirkung, kann der Einsatz von medizinischem Cannabis in Erwägung gezogen werden.

Dringend abzuraten ist ADHS-Patienten von einer Selbstmedikation mit Cannabis. Auch medizinisches Cannabis birgt eine Vielzahl von Nebenwirkungen, die besonders für ADHS-Patienten schwerwiegend sein können. Auch Wechselwirkungen mit typischen ADHS-Medikamenten sind möglich.

Bereit für eine Behandlung?

Starte jetzt deine Behandlungsanfrage für Medizinisches Cannabis und erhalte deine Lieferung in wenigen Minuten

jetzt behandlung anfragen
phone image