Cannabis bei PTBS: Möglichkeiten und Herausforderungen der Therapie

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS, im Englischen PTSD) entsteht, wenn traumatische Ereignisse oder Erlebnisse nicht verarbeitet werden können. Nach Unfällen, Naturkatastrophen, Gewalt, Krieg oder schweren Verlusterlebnissen erleben Betroffene immer wieder Symptome wie Flashbacks der belastenden Situationen, Albträume oder ein allgemeines Empfinden von Stress.
Traditionelle Therapien arbeiten mit Psychotherapie sowie teilweise Antidepressiva oder Neuroleptika. Allerdings wirken diese nicht immer und nicht bei allen Betroffenen gleich gut. Auch Nebenwirkungen der Medikamente sind nicht selten.
Manche Patienten setzen daher auf Cannabis - entweder durch den Arzt/Therapeuten verordnet oder als Selbstmedikation. Wir erklären, welche Gefahren der Konsum von Cannabis für Traumapatienten mit sich bringt, warum du Cannabis bei PTBS nur unter ärztlicher Aufsicht und explizite Empfehlung konsumieren solltest und welche Sorten überhaupt zur Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung geeignet sind.
Das Wichtigste in Kürze:
- Cannabis wird bereits erfolgreich gegen Depression und Angststörungen eingesetzt und wird nun zunehmend als Therapieoption bei posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) diskutiert. Vor allem CBD-reiche Sorten könnten über das Endocannabinoid-System Symptome lindern und die Lebensqualität verbessern.
- Die Studienlage bleibt jedoch dünn. Die Behandlungsoption mit Cannabis stützt sich bislang vor allem auf Erfahrungsberichte. Auch die Erwähnung von PTBS im MedCan-Gesetz als mögliche Indikation für eine Cannabinoid-Therapie beruht vor allem auf Erfahrungswerten.
- Viele Ärzte zögern bei der Verschreibung, weshalb sich Betroffene häufig selbst versorgen - ein riskantes Vorgehen. Cannabis sollte bei PTBS nur in Ausnahmefällen und stets unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden. Auf Sorten mit hohem THC-Gehalt sollten PTBS-Betrofene verzichten.
Die Forschung zu PTBS und Cannabis
Fangen wir mit den schlechten Nachrichten an. Studien zeigen, dass Cannabis PTBS-Symptome verschlimmern kann. Eine der größten Studien mit 2.276 PTSD‑Betroffenen (Veteranen der US-Armee) zeigte, dass Cannabiskonsum nach einer stationären Behandlung der Belastungsstörung die Behandlungsergebnisse zum teil zunichte machte.
Vier Monate nach dem Klinikaufenthalt zeigten Personen, die mit Cannabis starteten oder bereits davor konsumiert hatten, erheblich schwerere PTBS-Symptome, mehr gewalttätiges Verhalten und gesteigerten Substanz- und Alkoholgebrauch zeigten als Nicht-Konsumenten. Diese und ähnliche Ergebnisse wurden seitdem in vielen weiteren Studien bestätigt. (2)
Außerdem wurde beoachtet, dass Menschen mit PTBS ein deutlich erhöhtes Risiko für eine Cannabisabhängigkeit aufweisen.
Allerdings: Viele Betroffene berichten davon, dass ein (moderater) Cannabiskonsum ihnen hilft, die Beschwerden zu lindern, also beispielsweise zur Linderung von Schlafstörungen und dem sogenannten "Hyperarousal" (dauerhaftes Empfinden von körperlichem Stress) beitragen kann. Diese Wirkung lässt sich womöglich auf die Interaktion der Cannabinoide THC und CBD mit dem Endocannabinoid-System (ECS) zurückführen, einem umfangreiches System aus Rezeptoren und Enzymen im Körper, das unter anderem unsere Angst- und Stressreaktion reguliert.
Auch einige Studien deuten darauf hin, dass Cannabis bei PTBS-Symptomen helfen kann. So zeigte eine randomisierte Kontrollstudie an 80 US-Veteranen, dass Cannabis die Symptome lindern kann: Eine Gruppe erhielt eine stark THC-haltige Sorte (ca. 12 % THC), die zweite eine stark CBD-haltige Sorte (ca. 11 % CBD, weniger als 0,5 % THC) und eine dritte eine ausgewogene Sorte mit 8 % THC und 8 % CBD.
Alle Gruppen, inklusive der Placebo-Gruppe mit < 0,03 % THC/CBD, zeigten symptomatische Verbesserungen. Diese waren allerdings bei keiner Gruppe signifikant besser als bei der Placebo-Gruppe. (3) Cannabis half also tatsächlich nicht signifikant bei der Linderung der Symptome.
Aber: Eine aktuelle Studie von 2024, die aus dem sogenannten Project Twenty21 der britischen Regierung hervorging, zeigte in eine andere Richtung: Hier zeigten sich tatsächliche Verbesserungen in den PTBS-Symptomen bei (vor allem Schlafqualität, Flashbacks, Hyperarousal) bei 58 Teilnehmern mit diagnostizierter PTBS
Da es sich um eine Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe handelte, betonen die Autoren aber die Wichtigkeit weiterer, randomisierter Studien.
Insgesamt ist die Evidenz zur positiven Wirkung von Cannabis bei PTBS noch sehr dünn. Die Risiken (Abhängigkeit, Verschlimmerung der Symptome) sind im Vergleich sehr hoch, sodass Cannabis grundsätzlich nur dann als Behandlungsmöglichkeit in Betracht gezogen werden sollte, wenn alle anderen Therapien versagen.
Medizinisches Cannabis bei PTBS: Verbreitung in Deutschland
Nichtsdestotrotz setzen einige Therapeuten und Ärzte auf Cannabis, um eine Posttraumatische Belastungsstörung zu behandeln. Auch das neue Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) von 2024 nimmt PTBS daher explizit als mögliche Indikation für die Verschreibung mit auf. Dafür müssen allerdings ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Es muss eine fachärztlich gestellte Diagnose vorliegen, andere Therapien müssen gescheitert sein oder zu starke Nebenwirkungen haben, und es muss ein Therapieplan mit ärztlicher Dokumentation und Verlaufskontrolle vorliegen.
In der Praxis scheuen sich allerdings viele Ärzte vor der Verschreibung von Cannabis - unter anderem aus Sorge vor Regressforderungen durch die Krankenkassen. In manchen Fällen wurden Ärzten rückwirkend Summen bis zu 25.000 € auferlegt. Selbst wenn eine Cannabinoid-Therapie dem Patienten also helfen könnte - vielen Ärzten ist es das Risiko nicht wert.
Viele Betroffene weichen daher auf eine ärztlich unbegleitete Selbstmedikation aus, die nicht nur teuer ist, sondern auch schwere Nebenwirkungen mit sich bringen kann.
Risiken der Selbstmedikation ohne ärztliche Begleitung
Die medizinischen und psychischen Risiken von unkontrolliertem Cannabiskonsum sind nicht unerheblich. Neben der oben genannten Verschlimmerung der Symptome, kommen bei unregulierten Produkten noch ganz andere Risiken hinzu.
Unseriöse Händler verkaufen Produkte mit unbekannten oder stark schwankenden Mengen an THC und CBD. Hinzu kommen mögliche Kontaminationen, falsche Etikettierungen oder Verunreinigungen mit Pestiziden und Lösungsmitteln.
Eine Einnahme ohne ärztliche/therapeutische Begleitung kann die Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung beeinträchtigen. Häufig verhindert der (unbegleitete) Konsum, dass die Betroffenen sich ausreichend mit den Erinnerungen und dem Trauma auseinandersetzen - was aber für seine Bewältigung zwingend notwendig ist.
Zusätzlich kommt es häufig zu Arzneimittel-Wechselwirkungen. Sowohl CBD als auch THC beeinflussen Enzyme, die am Abbau vieler gängiger Medikamente beteiligt sind - darunter Blutverdünner, Magensäurehemmer, Schmerzmittel oder Psychopharmaka. Die Folge können verstärkte Nebenwirkungen, Wirkungsverlust oder sogar gefährliche Überdosierungen sein.
Der Konsum von medizischem Cannabis muss daher immer - gerade bei schweren Erkrankungen wie PTBS - unter ärztlicher Aufsicht und eingebettet in therapeutische Gesamtkonzepte erfolgen.
Geeignete Sorten (CBD-Fokus) für PTBS
Zur Orientierung bei der Auswahl von medizinischen Cannabisprodukten bei PTBS eignen sich besonders Sorten mit einem hohen CBD-Gehalt. CBD wirkt nicht psychoaktiv, besitzt aber anxiolytische, antipsychotische und entzündungshemmende Eigenschaften.
Es kann beruhigen, die Schlafqualität verbessern und die emotionale Reaktion abmildern - ohne die teils problematischen Wirkungen von THC. Trotzdem gilt auch hier: Eine Auswahl und Dosierung sollte ausschließlich durch geschultes medizinisches Personal erfolgen.
Noch einmal zur Verdeutlichung: Diese Empfehlungen stellen keine allgemeingültige Liste dar, sondern dienen der Orientierung. Die konkrete Auswahl und Anwendung muss unbedingt unter ärztlicher Begleitung erfolgen!
Sorten mit hohem THC-Gehalt und Freizeit cannabis sind für Menschen mit PTBS im Allgemeinen nicht geeignet und sehr gefährlich!
Unser Fazit: Medizinisches Cannabis bei PTBS: Nicht ohne deinen Therapeuten!
Aktuell gibt es noch nicht genügend Evidenz, die die Wirkung von Cannabis bei PTBS belegen würde. Zwar berichten Patienten teils von subjektiven Verbesserungen, doch stammen diese Angaben vorwiegend aus Beobachtungsstudien mit geringer Aussagekraft.
Nach dem neuen MedCanG ist zwar grundsätzlich eine Cannabistherapie bei PTBS möglich, Ärzte und Therapeuten halten sich jedoch aus verschiedenen Gründen zurück.
Auch wenn eine Selbstmedikation verlockend erscheint: Cannabis sollte bei PTBS nie ohne ärztliche Begleitung konsumiert werden! CBD-reiche Präparate könnten bei gezielter Anwendung - insbesondere zur Verbesserung von Schlaf und und Linderung von Angst - sinnvoll sein.
Dies gilt jedoch nur dann, wenn sie in ein umfassendes therapeutisches Gesamtkonzept eingebettet sind, das auf ärztlicher Diagnostik, Verlaufskontrolle und psychotherapeutischer Begleitung basiert. Vor allem sollten Betroffene keinesfalls auf eine bewährte, traumatherapeutische Behandlung verzichten.
Zukünftig könnten weitere Studien für mehr Klarheit sorgen. Reine CBD-Präparate müssen ebenso genauer untersucht werden wie die Behandlung ganz bestimmter Symptome mit Cannabis.
Zum jetzigen Zeitpunkt solltest du medizinisches Cannabis bei PTBS nur dann einsetzen, wenn dir dein Arzt oder Therapeut explizit dazu rät und die Behandlung langfristig begleitet.