Cannabis bei Epilepsie: Warum Fertigarzneimittel nicht immer die beste Wahl sind

Etwa 400.000 bis 800.000 Menschen mit diagnostizierter Epilepsie leben in Deutschland (0,5-1 % der Bevölkerung), aktive Epilepsie mit regelmäßigen Anfällen haben rund 500.000 Betroffene. Trotz moderner Antiepileptika sprechen etwa 30 % der Patient:innen nicht ausreichend auf herkömmliche Medikamente an - man spricht dann von pharmakoresistenter Epilepsie.
Aber auch Alternativen auf Cannabis-Basis, die in Deutschland zur Anwendung bei bestimmten Epilepsieformen zugelassen sind, wirken nicht immer ausreichend.
Viele Patienten wollen zudem ihren Medikamenten-Verbrauch reduzieren und hoffen auf die Wirkung von natürlichen Cannabisblüten. Wir schauen uns an, wie gut sie im Vergleich zu herkömmlichen und Cannabis-basierten Medikamenten abschneiden, welche Risiken und Nebenwirkungen bestehen und wie es mit Verschreibung und Kostenübernahme aussieht.
Das Wichtigste in Kürze:
- Das CBD-Fertigarzneimittel Epidiolex wirkt bei bestimmten Epilepsieformen recht gut (z. B. Dravet-, Lennox-Gastaut-Syndrom), aber nicht alle Patienten sprechen ausreichend darauf an.
- Natürliche Cannabisblüten bieten ein breites Wirkstoffspektrum mit möglichem Entourage-Effekt - sie lassen sich flexibler dosieren, sind jedoch nicht standardisiert und nicht offiziell für die Verwendung bei Epilepsie zugelassen. Eine Off-Label-Verschreibung ist aber möglich.
- Verschreibung und Kostenübernahme von Cannabisblüten bleiben bürokratisch schwierig, gesellschaftliche Vorurteile erschweren zusätzlich den Zugang zur Therapie. Hier helfen Online-Angebote.
Fertigarzneimittel: Standardisierte Therapie
Aktuell ist vor allem Epidiolex®, ein aufgereinigtes Cannabidiol (CBD)-Präparat, in der EU zur Behandlung spezieller Epilepsieformen zugelassen, etwa beim Dravet-Syndrom oder dem Lennox-Gastaut-Syndrom. Es handelt sich um ein rezeptpflichtiges Fertigarzneimittel, das oral verabreicht wird. Sativex®, ein THC/CBD-Spray, ist eigentlich zur Behandlung von Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen, wird aber teilweise bei Epilepsie verschrieben.
Studien zeigen, dass Epidiolex bei vielen Patienten eine signifikante Reduktion der Anfallshäufigkeit bewirken kann. In klinischen Studien sank die mediane Häufigkeit um etwa 30–40 % gegenüber der Placebogruppe. Es ist insbesondere bei therapieresistenten Epilepsien von Bedeutung, bei denen herkömmliche Antiepileptika versagen und kann die Lebensqualität der Betroffenen massiv verbessern. (1)
Darum sind Fertigarzneimittel hilfreich
Einerseits sind Fertigarzneimittel natürlich sehr standardisiert. Für den Anwender heißt das, dass du genau weißt, wie viel CBD (und ggf. THC) in deiner Kapsel oder Tablette enthalten ist. Unerwünschte Wirkungen (z.B. psychoaktive Effekte) sind ausgeschlossen.
Außerdem ist die Studienlage zu Fertigarzneimitteln im Allgemeinen viel besser. Das liegt an vielen verschiedenen Faktoren, der grundsätzlichste vermutlich die Art, wie Forscher arbeiten, um standardisierbare Ergebnisse zu erhalten. Die gute Studienlage bedeutet gleichzeitig, dass das Sicherheitsprofil der Präparate besser dokumentiert ist und Risiken zum größten Teil ausgeschlossen wurden.
Nachteile von Fertigarzneimitteln
Trotzdem: Medikamente bleiben Medikamente. Einerseits sind viele Patienten müde und genervt von den vielen Tabletten, die sie im Lauf ihrer Krankheitsgeschichte schlucken müssen. Cannabisblüten können da eine interessante Alternative sein.
Es gibt aber noch weitere Punkte, die Cannabisblüten Fertigarzneien voraus haben: Die Medikamente basieren fast ausschließlich auf isoliertem CBD. Andere relevante Inhaltsstoffe der Cannabispflanze wie Terpene oder Cannabinoide wie CBG oder CBC fehlen komplett, der Entourage-Effekt bleibt aus.
Gut zu wissen: Der Entourage-Effekt beschreibt das Zusammenwirken einer Vielzahl von Wirkstoffen der Cannabispflanze auf das Endocannabinoid-System - insbesondere von Cannabinoiden und Terpenen. Man geht davon aus, dass sich die Wirkung verstärkt oder ausgewogener ausfällt als isolierten Substanzen.
Außerdem lassen sich fertige Epilepsie-Medikamente weniger gut auf den einzelnen Patienten anpassen - eine Tablette bleibt eine Tablette. Aber: Jeder Körper ist anders. Besonders bei Cannabinoiden konnte gezeigt werden, dass verschiedene Menschen unterschiedlich auf die Stoffe ansprechen. (3) Fertigarzeimittel bieten hier sehr wenig Spielraum.
Cannabisblüten: Natürliche Alternative?
Cannabisblüten hingegen enthalten das vollständige Wirkspektrum der Cannabispflanze. Neben THC und CBD finden sich hier zahlreiche weitere Cannabinoide, Terpene und Flavonoide, die möglicherweise zusammenwirken. Der Entourage-Effekt gilt als einer der Hauptgründe für die teilweise bessere Wirkung einer Cannabis-Therapie mit natürlichen Blüten gegenüber isolierten Wirkstoffen. (4)
Konkret bedeutet das, dass die verschiedenen Inhaltsstoffe der Cannabispflanze ihre Wirkung nicht nur addieren, sondern gegenseitig verstärken oder modulieren können. So können zum Beispiel Terpene wie Linalool oder Myrcen beruhigend und antikonvulsiv (gegen Krämpfe) wirken, während sogenannte Minor- oder sekundäre Cannabinoide wie CBG oder CBC in ersten Studien ebenfalls antientzündliche und neuroprotektive Eigenschaften zeigen.
Und hier liegt die Ursache für die bessere Wirkung natürlicher Cannabisblüten: Sie enthalten eine natürliche Kombination aus verschiedenen Wirkstoffen - wie die Zusammensetzung aussieht, hängt unter anderem von der Sortenwahl ab. Für die Epilepsiebehandlung haben sich Sorten mit hohem CBD-Gehalt bewährt, z.B. Charlotte's Web oder Cannatonic.
Weitere gut wirksame Sorten für Epilepsiepatienten zeigt folgende Tabelle:
Großer Vorteil für Epilepsiepatienten: Natürliche Blüten lassen sich sehr individuell dosieren, z.B. durch die Einnahme mit Vaporizer. Inhalativ verabreichtes Cannabis wirkt zudem schneller als oral eingenommene Präparate und kann möglicherweise helfen, einen Anfall abzumildern.
Aber Vorsicht: Epilepsie ist eine schwere Erkrankung, die Auslöser vielfältig. Auch sind Cannabisblüten natürlich nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen: Der Gehalt an Wirkstoffen wie Cannabinoiden und Terpenen kann schwanken, die Folgen können teilweise schwerwiegend sein - vor allem bei selbst angebautem Gras ohne laufende Laboranalysen. Besprich dich also bitte unbedingt mit deinem behandelnden Arzt und gehe vorsichtig mit Cannabis um.
Weitere Schwierigkeit: Cannabisblüten/medizinisches Cannabis sind in Deutschland nicht explizit für die Behandlung von Epilepsie zugelassen, die Anwendung erfolgt "off-label". Das erschwert die Kostenerstattung durch die Krankenkasse.
Und: Kinder und Jugendliche sollten in keinem Fall Cannabis konsumieren (oder nur nach expliziter Empfehlung durch einen Arzt), da der Stoff das junge Gehirn in seiner Entwicklung beeinträchtigen kann.
Vergleich: Fertigarzneimittel vs. Cannabisblüten
Die lieben Nachbarn
Und noch ein letzter Punkt, der aber deshalb nicht weniger relevant ist: Noch immer ist der Konsum von Cannabis mit einem Stigma belegt. "Kiffen" gilt als Zeichen, sein Leben nicht im Griff zu haben - egal, ob es gegen Epilepsieanfälle hilft oder nicht.
Immer wieder gibt es Berichte, dass Menschen, denen medizinisches Cannabis sehr gut hilft, Streitigkeiten mit ihren Nachbarn ausfechten müssen - vor allem, weil der Geruch oft doch sehr deutlich wahrnehmbar ist. Hier braucht es wohl noch mehr Informationen und Aufklärung in der Gesellschaft, bis Cannabis als mehr wahrgenommen wird als nur als Gute-Laune-Droge.
Verschreibung von Cannabisblüten in Deutschland
Seit Inkrafttreten des "Cannabis als Medizin"-Gesetzes im März 2017 dürfen Ärzte in Deutschland Cannabisblüten und -extrakte an Erwachsene verschreiben. (Das hat übrigens nichts mit der (Teil-)Legalisierung von Cannabis 2024 zu tun.)
Voraussetzung ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung wie etwa therapieresistenter Epilepsie, die vorherige Ausschöpfung anderer Therapieoptionen und eine medizinisch begründete Aussicht auf Besserung. In der Praxis ist es dennoch oft nicht ganz einfach, Cannabis verschrieben zu bekommen - bei Fertigarzneimitteln tun sich Ärzte oft leichter. Das liegt sicher auch daran, dass die Wirkung und das Sicherheitsprofil von Cannabis auch in Fachkreisen oft noch umstritten ist. Hier hilft es, möglichst fundiert zu argumentieren, beispielsweise mithilfe aktueller Studien zur Wirksamkeit von Cannabis bei Epilepsie.
Auch die Kostenübernahme durch die Krankenkassen ist nicht immer einfach. Vor der ersten Verordnung müssen Patienten (gemeinsam mit ihrem Arzt) einen Kostenerstattungsantrag stellen. Dieser sollte eine ausführliche Krankengeschichte, dokumentierte bisherige Therapieversuche, einen Behandlungsplan und eine plausible Begründung enthalten. Selbst bei sorgfältiger Antragstellung kommt es jedoch häufig zu Ablehnungen - Widerspruch ist allerdings möglich.
Zudem gibt es Berichte, dass es selbst mit Rezept nicht immer einfach ist, Cannabisblüten zu bekommen. Nicht alle Apotheken führen die benötigten Sorten, und es kommt immer wieder zu Lieferengpässen. Zudem variieren die Preise zum Teil erheblich.
Hier können Online-Angebote helfen. Dabei wirst du durch professionelle Ärzte durch den gesamten Prozess begleitet - von der Anamnese bis zur Lieferung der passenden Blüten.
Fazit: Hoffnung mit Hindernissen
Die Behandlung von Epilepsie bleibt eine komplexe Aufgabe - insbesondere bei therapieresistenten Verläufen, bei denen herkömmliche Antiepileptika nicht ausreichend wirken. Auch wenn mit Epidiolex seit 2019 ein Cannabis-basiertes Fertigarzneimittel zur Verfügung steht: Nicht für alle Betroffenen zeigt sich die gewünschte Minderung der Anfälle. Und auch wenn die Standardisierung als Arzneimittel aus wissenschaftlicher Sicht Vorteile bringt: Für Patienten kann gerade diese ein Nachteil sein, weil ihr Körper eben doch individuell reagiert.
Hier rücken Cannabisblüten in den Fokus: Sie bieten ein natürliches, breiteres Wirkstoffprofil mit potenziellem Entourage-Effekt, das sich außerdem invidueller anpassen lässt - sei es durch die Wahl der Sorte oder eine flexible Dosierung. Erste Studien und Erfahrungsberichte deuten darauf hin, dass natürliche Blüten deshalb besser wirken als Arzeimittel auf Cannabis-Basis.
Trotzdem bleibt der Weg zur Therapie mit medizinischem Cannabis in Deutschland oft steinig. (Das gilt übrigens auch für weitere Anwendungsfälle wie die Schmerzbehandlung oder den Einsatz bei schweren Schlafstörungen.) Die fehlende offizielle Zulassung bei Epilepsie und bürokratische Hürden bei der Kostenübernahme stellen Patienten vor große Herausforderungen. Hinzu können Vorurteile im sozialen Umfeld kommen. Auch braucht es zum Teil eine Verbesserung der Versorgungssituation vor Ort, auch wenn Online-Angebote hier schon sehr gut helfen.
Trotzdem: Wer gut informiert ist, die medizinische Notwendigkeit belegen kann und einen erfahrenen Arzt an seiner Seite hat, kann mit medizinischem Cannabis eine individuelle und wirkungsvolle Ergänzung zur bestehenden Epilepsietherapie finden. Dabei gilt jedoch: Cannabis ersetzt keine fundierte ärztliche Begleitung, sondern sollte immer als Teil eines ganzheitlich abgestimmten Therapiekonzepts gesehen werden.