Cannabis gegen Übelkeit: Wie sinnvoll ist das?

Übelkeit zählt zu den belastendsten Symptomen bei einer Vielzahl von Erkrankungen – sei es infolge einer Chemotherapie, bei Migräne, Morbus Crohn oder anderen chronischen Leiden. Wenn klassische Medikamente versagen oder zu starke Nebenwirkungen mit sich bringen, rückt Cannabis als mögliche Alternative immer stärker in den Fokus.
Die medizinische Forschung beschäftigt sich seit Jahren mit der Wirkung von Cannabinoiden auf das Brechzentrum im Gehirn. Zahlreiche Studien, aber auch klinische Erfahrungen zeigen: Bestimmte Inhaltsstoffe der Hanfpflanze können das Übelkeitsgefühl lindern - teilweise sogar dann, wenn herkömmliche Mittel keine Wirkung zeigen.
Doch wie genau funktioniert das? Warum reagiert der Körper überhaupt auf Cannabis? Und welche Produkte sind sinnvoll, wenn es gezielt gegen Übelkeit gehen soll?
Das Wichtigste in Kürze:
- Cannabis enthält sogenannte Cannabinoide wie THC und CBD, die über das Endocannabinoid-System im Körper Übelkeit und Erbrechen effektiv reduzieren können.
- Besonders bei therapieresistenter Übelkeit während einer Chemo- oder Strahlentherapie ist die Wirksamkeit von Cannabis gut dokumentiert und wird sogar von medizinischen Fachgesellschaften empfohlen.
- Medizinisches Cannabis kann bei entsprechender Indikation vom Arzt verschrieben und von der Krankenkasse übernommen werden.
Wie Cannabis gegen Übelkeit wirkt – Der Mechanismus dahinter
Das Endocannabinoid-System – Dein körpereigenes Regulationsnetzwerk
In unserem Körper existiert ein faszinierendes System, das viele wichtige Funktionen steuert: das Endocannabinoid-System (kurz ECS). Es besteht aus speziellen Rezeptoren und körpereigen produzierten Botenstoffen, die unter anderem auch das Brechzentrum in deinem Gehirn beeinflussen können.
Zwei Rezeptortypen spielen hier die Hauptrolle:
- CB1-Rezeptoren: Diese findest du hauptsächlich im zentralen Nervensystem, besonders in den Hirnregionen, die für Übelkeit und Erbrechen zuständig sind.
- CB2-Rezeptoren: Sie sitzen vor allem im Immunsystem, wirken aber auch auf deinen Magen-Darm-Trakt und können dort entzündungsbedingte Übelkeit regulieren.
Die Wirkstoffe der Cannabispflanze, besonders THC und CBD, docken an genau diese Rezeptoren an – und beeinflussen dadurch gezielt die Signalwege, die Übelkeit auslösen. (1)
THC – Das Ass im Ärmel bei therapieresistenter Übelkeit
THC aktiviert vor allem die CB1-Rezeptoren und wirkt damit direkt aufs Brechzentrum ein. Gleichzeitig reduziert es die Freisetzung von Serotonin im Verdauungstrakt – ein Botenstoff, der häufig für Übelkeitsgefühle verantwortlich ist.
Gerade bei Patienten, bei denen die Standard-Medikamente versagen, hat sich THC als echter Game-Changer erwiesen. Es nutzt alternative Signalwege im Körper, was auch seine bemerkenswerte Wirksamkeit bei besonders hartnäckigen Fällen erklärt.
CBD – Der Allrounder bei stressbedingter Übelkeit
Anders als THC bindet CBD nicht direkt an CB1-Rezeptoren. Stattdessen verändert es deren Aktivität und wirkt zusätzlich auf:
- Serotonin-Rezeptoren: CBD bindet an den sogenannten 5-HT1A-Rezeptor, der maßgeblich an der Regulation von Übelkeit beteiligt ist.
- TRPV1-Rezeptoren: Diese Rezeptoren spielen eine wichtige Rolle bei Übelkeit und der Schmerzwahrnehmung.
- Hemmung des Endocannabinoid-Abbaus: CBD erhöht die Konzentration körpereigener Cannabinoide, die ebenfalls gegen Übelkeit wirken können.
Forschungen zeigen, dass CBD vor allem bei Übelkeit durch Stress oder Angst (wie etwa vor einer anstehenden Chemotherapie) besonders effektiv sein kann. (3)
Mehr als nur die Summe der Teile: Der Entourage-Effekt
Die sogenannte Entourage-Wirkung kommt daher, dass die verschiedenen Bestandteile der Cannabispflanze - Cannabinoide, Terpene und Flavonoide - gemeinsam besser wirken als isolierte Substanzen.
Terpene wie Myrcen oder Limonen besitzen selbst übelkeitslindernde Eigenschaften und unterstützen THC und CBD in ihrer Wirkung. Dieses besondere Zusammenspiel erklärt auch, warum natürliche Cannabis-Produkte (z.B. Blüten) häufig besser gegen Übelkeit wirken als synthetische Medikamente.
Bei welchen Arten von Übelkeit hilft Cannabis?
Übelkeit durch Chemotherapie und Strahlentherapie
Die meisten klinischen Studien befassen sich mit der Anwendung bei Krebspatienten unter Therapie. Und die Ergebnisse sind beeindruckend eindeutig: Wenn herkömmliche Antiemetika versagen oder nicht ausreichend wirken, kann Cannabis ein echter Rettungsanker sein.
Es verbessert zudem das allgemeine Wohlbefinden der Betroffenen, lindert begleitende Schmerzen und Ängste und unterstützt so den gesamten Therapieprozess.
Nicht ohne Grund befürworten renommierte Fachgesellschaften wie die ASCO (American Society for Clinical Oncology) den Einsatz von Cannabinoiden bei Krebspatienten ausdrücklich als sinnvolle Zusatztherapie. (5)
Übelkeit bei chronischen Erkrankungen
Auch bei einer Vielzahl chronischer Erkrankungen mit Übelkeitssymptomatik kann Cannabis echte Erleichterung bringen:
- HIV/AIDS-assoziierte Übelkeit: Cannabis gehörte zu den ersten medizinisch eingesetzten Mitteln gegen die bei HIV/AIDS häufig auftretende Übelkeit und den begleitenden Appetitverlust. Studien belegen, dass THC-haltige Präparate nicht nur die Übelkeit reduzieren, sondern auch den Appetit ankurbeln und so dem gefürchteten Gewichtsverlust entgegenwirken können.
- Übelkeit bei Migräne: Viele Migräne-Geplagte kennen das Problem – heftige Kopfschmerzen werden von massiver Übelkeit begleitet. Cannabinoide können hier quasi doppelt helfen: sowohl gegen die Kopfschmerzen als auch gegen die begleitende Übelkeit.
- Weitere chronische Erkrankungen: Bei Leiden wie dem cannabinoiden Hyperemesis-Syndrom (ironischerweise durch langfristigen Cannabis-Konsum ausgelöst), zyklischem Erbrechen oder chronischen Magen-Darm-Erkrankungen (Reizdarm, Morbus Crohn) kann die gezielte Anwendung niedrig dosierter Cannabis-Präparate spürbare Linderung verschaffen.
Schwangerschaftsübelkeit und Cannabis
Hier ist Vorsicht geboten: Obwohl einige Schwangere von der Linderung ihrer Übelkeit durch Cannabis berichten, wird der Einsatz während der Schwangerschaft derzeit nicht empfohlen. Die möglichen Risiken für die Entwicklung des ungeborenen Kindes sind schlichtweg noch nicht ausreichend erforscht - hier überwiegt der potenzielle Schaden klar den möglichen Nutzen.
Cannabis vs. konventionelle Antiemetika - der Vergleich
Anwendungsformen von Cannabis gegen Übelkeit
Je nach Ursache und Schwere der Übelkeit sowie deinen persönlichen Vorlieben kannst du Cannabis gegen Übelkeit und Erbrechen auf verschiedene Arten konsumieren:
1. Inhalation (Verdampfen)
Vorteile:
- Sehr schnelle Wirkung (innerhalb von Minuten)
- Gute Dosierbarkeit
- Ideal bei akuter, starker Übelkeit.
Nachteile:
- Kürzere Wirkdauer (2-4 Stunden)
- Nicht für Patienten mit Lungenproblemen geeignet
Wichtig: Cannabis sollte niemals geraucht, sondern stets mit einem speziellen Verdampfer (Vaporizer) erhitzt werden. So vermeidest du die schädlichen Nebeneffekte des Rauchens, die deinen ohnehin belasteten Körper zusätzlich belasten würden.
2. Orale Einnahme (Sprays, Öle)
Vorteile:
- Längere Wirkdauer (6-8 Stunden)
- Diskreterals Inhalation
- Gut für präventive Anwendung und bei chronischer Übelkeit
Nachteile:
- Verzögerter Wirkungseintritt (30-90 Minuten)
- Optimale Dosis zu Anfang schwerer zu ermitteln
Cannabisöle werden idealerweise sublingual (unter der Zunge) eingenommen. Durch die Aufnahme über die Mundschleimhaut tritt bereits eine erste Wirkung ein, bevor der Rest über den Magen-Darm-Trakt verstoffwechselt wird. Gerade bei bestehender Übelkeit und Erbrechen kann dieser direkte Weg ein enormer Vorteil sein.
3. Cannabinoid-Medikamente
In Deutschland gibt es bereits einige zugelassene Fertigarzneimittel mit dem isolierten Wirkstoff THC oder CBD:
- Dronabinol (Marinol): Synthetisches THC, verfügbar als Kapseln oder ölige Tropfen
- Nabilon (Cesamet): Synthetisches THC-Analogon, als Kapsel erhältlich
- Nabiximols (Sativex): Kombination aus THC und CBD im Verhältnis 1:1, als Mundspray
Zwar sind solche standardisierten Präparate besonders leicht und gleichmäßig zu dosieren und werden auch oft von Ärzten lieber verschrieben. Was bei der standardisierten Cannabinoid-Therapie jedoch meist fehlt ist der Entourage-Effekt von naturbelassenen Vollspektrum-Blüten.
Welche Sorte hilft am besten bei Übelkeit?
- Bei akuter, starker Übelkeit (z.B. nach Chemotherapie): Sorten mit moderatem bis höherem THC-Gehalt (10-20%) und niedrigem bis mittlerem CBD-Gehalt (1-5%). THC ist hier der primäre, gegen Übelkeit wirksame Bestandteil.
- Bei chronischer oder stressbedingter Übelkeit: Ausgewogenere THC:CBD-Verhältnisse (1:1 oder 1:2) können die Übelkeit effektiv lindern, ohne allzu starke psychoaktive Effekte zu verursachen.
- Bei erwartungsangstbedingter Übelkeit: CBD-reichere Sorten oder Kombinationen mit höheren CBD-Anteilen. CBD wirkt zusätzlich angstlösend und kann so die eigentliche Ursache der Übelkeit gleich mit bekämpfen.
Terpene mit antiemetischer Wirkung
Einige der in Cannabis enthaltenen Terpene (aromatische Verbindungen) haben selbst übelkeitslindernde Eigenschaften:
- Limonen: Hat ein frisches, zitrusartiges Aroma und kann Übelkeit sowie saures Aufstoßen reduzieren.
- Myrcen: Mit seinem erdig-fruchtigen Aroma wirkt beruhigend auf den gesamten Magen-Darm-Trakt.
- Caryophyllen: Zeichnet sich durch ein pfeffrig-würziges Aroma aus und wirkt entzündungshemmend, auch im Magenbereich.
Die richtige Dosierung finden – So geht's
Die optimale Cannabis-Dosierung gegen Übelkeit ist höchst individuell und hängt von zahlreichen Faktoren ab:
- Intensität der Übelkeit
- Bisherige Erfahrung mit Cannabis
- Körpergewicht und persönlicher Stoffwechsel
- Eventuell vorhandene Begleiterkrankungen
Die goldene Regel lautet: "Start low, go slow" – also niedrig einsteigen und langsam steigern. Beginne mit einer kleinen Dosis von etwa 2–2,5 mg THC. Warte die volle Wirkentfaltung ab (bei Inhalation 15-30 Minuten, bei oraler Einnahme 1-2 Stunden). Steigere bei Bedarf in vorsichtigen, kleinen Schritten (jeweils etwa 2,5 mg THC). Führe ein Tagebuch zu Dosierung und Wirkung.
Laut Erfahrungsberichten vieler Betroffener sind 5 bis 15 mg THC pro Einzeldosis meist schon sehr effektiv, um Übelkeit deutlich zu lindern. Aber wie gesagt: Hier kommt es ganz auf deine persönliche Situation an. Probiere behutsam aus und besprich dich im Zweifelsfall immer mit deinem behandelnden Arzt.
Mögliche Nebenwirkungen
Zwar hat Cannabis, vor allem im Vergleich zu vielen konventionellen Antiemetika, nur sehr wenige Nebenwirkungen, einige gibt es aber doch:
- Kurzfristig: Trockener Mund, Schläfrigkeit, mehr Appetit
- Höhere Dosen: Unruhe, Schwindel, psychische Effekte (Psychosen)
- Langfristig: Abhängigkeit möglich
Vorsicht auch bei möglichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten: Cannabis kann mit Psychopharmaka, Blutverdünnern oder Beruhigungsmitteln interagieren und unerwünschte Wirkungen verstärken. Kläre potenzielle Wechselwirkungen unbedingt vorab mit deinem Arzt ab, wenn du bereits andere Medikamente einnimmst.
Auch die psychoaktiven Effekte des THC sind nicht immer erwünscht. Wähle gegebenenfalls CBD-betontere Sorten und achte auf einen verantwortungsvollen Konsum (also beispielsweise nach dem Konsum kein Auto mehr zu fahren).
Wer sollte lieber die Finger von Cannabis lassen?
Für bestimmte Personengruppen ist Cannabis nicht oder nur sehr eingeschränkt zu empfehlen und sollte allenfalls dann verwendet werden, wenn herkömmliche Therapien versagen. Zu diesen Gruppen zählen Menschen mit psychiatrischen Vorerkrankungen (insbesondere Psychosen), Patienten mit schweren Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schwangere und stillende Mütter, Kinder und Jugendliche (Anwendung nur unter strenger ärztlicher Kontrolle!), Personen mit Suchtproblematik in der Vorgeschichte.
Legal und unkompliziert: Cannabis heute
Seit einer bahnbrechenden Gesetzesänderung im März 2017 können Ärzte in Deutschland medizinisches Cannabis verschreiben, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und andere Therapien nicht wirksam sind oder zu erheblichen Nebenwirkungen führen.
Da bis heute aber viele Ärzte nicht bereit sind, ihren Patienten Cannabis zu verschreiben, suchen viele Betroffene Unterstützung im Netz. Über Online-Angebote ist es für Betroffene inzwischen viel einfacher geworden, Cannabis zu bekommen.
Unser Fazit: Wirksamer Helfer gegen Übelkeit und Erbrechen
Wenn herkömmliche Therapien nicht das gewünschte Ergebnis, kann Cannabis wirklich gut helfen, Übelkeit und Erbrechen zu lindern. Auch die Forschung bestätigt, dass Cannabinoide wie THC und CBD tolle Ergebnisse gegen die Beschwerden bringen. Durch niedrigschwellige Online-Angebote können auch Patienten, deren Arzt ihnen kein Cannabis verschreiben möchte, Cannabisblüten und andere hochwirksame Produkte problemlos verschrieben bekommen.
Wichtig ist, dass du zu Beginn die passende Sorte und Darreichungsform für deine Symptomatik wählst. Beobachte geduldig, wie dein Körper reagiert und passe die Dosis bei Bedarf ganz gemächlich an. Gehörst du zu bestimmten Personengruppen (Schwangere, Jugendliche) verzichte nach Möglichkeit ganz auf den Einsatz von Cannabis.