Cannabis bei Morbus Crohn: Das sagen Betroffene

Morbus Crohn, eine chronisch‑entzündliche Darmerkrankung, ist oft extrem belastend. Die Krankheit führt zu Bauchschmerzen, Durchfällen, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust; die Betroffenen trauen sich oft nicht, für längere Abschnitte das Haus zu verlassen aus Sorge, nicht rechtzeitig eine Toilette zu finden. Nicht selten ist der gesamte Magen-Darm-Trakt von den Entzündungen - am häufigsten jedoch der letzte Abschnitt der Darmwand von Dünndarm und Dickdarm.
Morbus Crohn tritt üblicherweise in Schüben auf, die klassischerweise mit Kortison, Immunmodulatoren oder anderen Medikamenten behandelt werden. Leider birgt die konventionelle Therapie von Morbus Crohn viele Nebenwirkungen und wirkt auch meist nicht langfristig, um Schübe zu verhindern.
Neueste Studien geben jedoch Hinweise darauf, dass Alternativen wie (medizinisches) Cannabis ähnlich gut helfen könnten - ohne die schweren Nebenwirkungen. Auch Betroffene berichten davon, dass Cannabis die Schmerzen lindert und den Appetit anregt.
Wir schauen uns an, wie gut Cannabis wirklich bei Morbus Crohn helfen kann, welche Risiken du beachten solltest und welche Sorten laut Betroffenen am besten funktionieren.
Das Wichtigste in Kürze:
- Der Einsatz von Cannabis bei Morbus Crohn wird bereits seit vielen Jahren wissenschaftlich untersucht. Noch immer wird Cannabis jedoch nicht als Standardtherapie zur Behandlung der Krankheit empfohlen.
- Betroffene Menschen berichten jedoch davon, dass ihnen der Konsum hilft, besser zu schlafen, Schmerzen zu lindern und den Appetit anzuregen. Ob Cannabis wirklich die Entzündungen lindern kann, ist noch nicht ganz klar.
- Cannabis sollte bei Morbus Crohn nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. So vermeidest du Wechselwirkungen mit üblichen Medikamenten und hältst Faktoren wie psychoaktive Effekte und potenzielle psychische Abhängigkeit so gering wie möglich.
Wie Cannabis bei Morbus Crohn wirken könnte
Schon in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts und in den frühen 2000ern gab es erste Studien und Berichte zur Wirkung von Cannabis auf Autoimmunerkrankungen, zu denen auch Morbus Crohn gehört. (1) Eine Studie von 2011 brachte dann mehr Fahrt in die Forschung, da sie am menschlichen Patienten zeigte, dass Cannabis bei Morbus Crohn tatsächlich sehr gut hilft:
Die Patienten erhielten zweimal täglich einen Joint mit je 115 mg Cannabisblüten (23 % THC), die Placebo-Gruppe bekam Cannabisblüten ohne Cannabinoide. Das Ergebnis: Cannabis linderte die Symptome wie Schmerzen, Schlafprobleme und Appetitlosigkeit signifikant. Und das ohne schwere Nebenwirkungen. (2)
Seitdam gab es eine Vielzahl von Studien, die versuchten, den Wirkmechanismus von Medizinalcannabis bei bei chronisch-entzündlichen Magen-Darm-Erkrankungen (CED wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa) genauer zu erklären. Man geht aktuell davon aus, dass die Interaktion der Cannabinoide THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) mit dem Endocannabinoid-System eine zentrale Rolle bei der Wirkung spielt.
Dieses System spielt eine Schlüsselrolle in der Regulierung von Entzündungen, Schmerzempfinden, Appetit und Darmbewegung. Cannabinoid-Rezeptoren (v. a. CB1 und CB2) befinden sich im Immunsystem, aber auch im Verdauungstrakt. Durch Aktivierung dieser Rezeptoren kann Cannabis potenziell entzündliche Prozesse regulieren, die Peristaltik beeinflussen und Schmerzen lindern.
CBD lindert dabei vor allem Entzündungen und Schmerzen, während THC hauptsächlich den Appetit steigern und den Schlaf verbessern kann. In natürlichen Cannabisblüten kommen beide Cannabinoide vor - zusammen mit ca. 100 weiteren Cannabinoiden und weiteren Stoffen (z.B. Terpene), die zusammen potenziell noch besser wirken als isoliert (sog. Entourage-Effekt).
Für Morbus Crohn könnte das bedeuten: weniger Bauchschmerzen und Durchfall, weniger Übelkeit, verbesserter Schlaf und mehr Appetit. Letzteres ist besonders nach akuten Schüben wichtig, die oft mit starkem Gewichtsverlust einhergehen.
Meta-Studie von 2024
Laut einer aktuellen Metaanalyse von vier randomisierten Studien könnten Cannabinoide den Krankheitsverlauf bei Morbus Crohn verlangsamen. (3) Die analysierten Studien untersuchten Erwachsene mit leichtem bis mittelschwerem Verlauf über mindestens acht Wochen. Als primärer Marker diente der sogenannte Morbus-Crohn-Aktivitätsindex (CDAI).
In allen Studien konnte der CDAI durch die Behandlung mit Cannabis signifikant gesenkt werden. Allerdings zeigten sich hinsichtlich der Lebensqualität, der klinischen Remission (Wiederkehr von Schüben) und der Entzündungswerte im Blut keine Unterschiede im Vergleich zur Placebogruppe. Die Wirkung scheint also vorwiegend symptomatisch, heilen kann auch Cannabis die Krankheit nicht.
Die Autoren der Metastudie bewerteten zusätzlich die Qualität der untersuchten Studien. Demnach sind die Studien qualitativ hochwertig, die Heterogenität der Ergebnisse und methodische Unterschiede zwischen den Studien erschweren aber eindeutige Schlüsse.
Die Forscher betonen, dass die therapeutische Wirksamkeit von Cannabis bei Morbus Crohn weiterhin nicht ausreichend belegt ist. Eine Behandlung mit Cannabis sollte deshalb nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, insbesondere wegen möglicher Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Dennoch: Die Studie bestätigt erneut, dass Cannabinoide bei Morbus Crohn helfen können - auch wenn noch Bedarf an weiterer Forschung besteht.
Auch die aktuelle S3-Leitlinie "Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn" der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) empfiehlt Cannabis derzeit nicht zur Behandlung akuter Schübe von Morbus Crohn. Das bedeutet jedoch nicht, dass es nicht (off label) zur Linderung der Symptome eingesetzt werden kann.
Medizinisches Cannabis bei Morbus Crohn auf Rezept - Geht das?
Auch wenn die DGVS Cannabis nicht als Standardtherapie listet: Cannabis kann zur Behandlung von Morbus Crohn verschrieben werden. Rechtliche Grundlage dafür bildet das seit März 2017 geltende "Cannabis als Medizin"-Gesetz, das Ärzten erlaubt, Cannabisarzneimittel auch außerhalb von Leitlinien zulasten der gesetzlichen Krankenkassen zu verordnen.
Voraussetzung für eine solche Verordnung ist, dass beim Patienten eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt - was bei Morbus Crohn in der Regel gegeben ist -, und dass weitere verfügbare Therapien entweder nicht ausreichend wirken oder nicht verträglich sind. Darüber hinaus muss eine Aussicht auf spürbare Verbesserung der Beschwerden bestehen. Die Behandlung mit Medizinalcannabis darf außerdem erst begonnen werden, wenn die Krankenkasse den individuellen Antrag auf Kostenübernahme genehmigt hat.
Wichtig: Die Verordnung von medizinischem Cannabis und die Kostenübernahme durch die Krankenkasse sind immer Einzelfallentscheidungen! Hier hilft es, vertrauensvoll mit deinem Arzt zu sprechen und mit deiner Krankenkasse in Kontakt zu treten. Das kann viel Aufwand sein - dein Erfolg dafür umso wertvoller.
Das sagen Betroffene
Im Netz berichten unzählige Betroffene von subjektiven Verbesserungen bei Symptomen wie Schmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Schlafproblemen, wenn sie Cannabis konsumieren.
Manche berichten, dass sie erst mit Cannabis überhaupt wieder Nahrung zu sich nehmen und ihr Gewicht stabilisieren können. Auch der Schlaf wird bei vielen besser. In den meisten Fällen wird Cannabis in Kombination mit klassischen Medikamenten verwendet (z.B. Kortison bei akuten Schüben), um die Lebensqualität zu verbessern.
Allerdings ist auch Cannabis nicht ohne Risiken. Einige Nutzer berichten, dass sie durch langfristigen oder hochdosierten THC-Gebrauch verstärkt mit psychischer Symptomen zu kämpfen kaben - darunter Panikattacken, Ängste, Erschöpfungsgefühle oder Gedächtnisprobleme.
Möglich ist auch, dass zwar das subjektive Wohlbefinden steigt, sich die objektive Gesundheit des Magen-Darm-Trakts aber verschlechtert. Selten, aber bei Dauerkonsum auch möglich: Das sogenannte cannabinoide Hyperemesis-Syndrom (CHS), das durch zyklisch auftretende Episoden von Übelkeit und Erbrechen geprägt ist. Heißes Duschen oder Baden mildert die Symptome und ist daher ein klinischer Hinweis auf die Diagnose.
Auch hier gilt: Cannabis bei Morbus Crohn sollte immer unter ärztlicher Begleitung konsumiert und in einen umfassenden Therapie-Plan aufgenommen werden. So lassen sich auch mögliche Neben- und Wechselwirkungen vermeiden.
Wechselwirkungen von Cannabis
Viele der gängigen Medikamente zur Behandlung chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen - etwa Kortikosteroide oder Immunsuppressiva - können mit Cannabis wechselwirken, vor allem über die Beeinflussung von Leberenzymen wie CYP3A4, CYP2C9 oder CYP2C19. THC und CBD können diese Enzyme hemmen oder befördern, sodass gleichzeitig eingenommene Medikamente entweder langsamer oder schneller abgebaut werden könnten. (4)
Insbesondere bei Immunsuppressiva wie Azathioprin, 6-Mercaptopurin oder Methotrexat ist Vorsicht geboten, da deren Wirkspiegel durch Cannabinoide steigen oder sinken könnten. Die Folge: Verstärkte Nebenwirkungen oder Wirkverlust.
Nebenwirkungen von Cannabis
Cannabinoide können zudem ganz eigene Nebenwirkungen verursachen. Während CBD vor allem leichte Verdauungsbeschwerden und Trockenheit von Mund & Rachenraum auslösen kann, hat THC potenziell schwerere Nebenwirkungen wie starke Müdigkeit (Sedierung), Konzentrationsprobleme und psychoaktive Effekte ("High"). Auch medizinisches Cannabis enthält THC - und das auch gewollt.
Gerade bei Morbus Crohn-Patienten ist beispielsweise die Nebenwirkung der "Munchies" (Heißhunger) oft gewollt, um den Appetit der Betroffenen anzuregen. Allerdings muss darauf geachtet werden, auch bei Heißhungerattacken keine stark fettigen oder zuckerhaltigen Lebensmittel zu konsumieren, um den angeschlagenen Darm nicht weiter zu belasten und die Darmentzündung womöglich zu verschlimmern.
CBD könnte hier ausgleichend wirken, da es den übermäßigen Heißhungereffekt von THC abmildern kann. Auch die psychoaktiven Effekte von THC können durch CBD verringert werden. Achte also darauf, ausbalancierte Sorten zu wählen, die die positiven Wirkungen von THC ausnutzt, die Nebenwirkungen aber möglichst gering hält.
Cannabis-Sorten bei Morbus Crohn
Die folgenden Sorten sind alle als Blüten verfügbar, einige zudem als Extrakte/Cannabisöl. Wichtig: Für den Verdampfer (Vaporizer) sind nur Blüten und spezielle Extrakte geeignet. Cannabis-Öl z. B. Tilray- oder CBD-Öl) sind für die sublinguale Einnahme bestimmt, also zum Tropfen unter die Zunge.
Bei akuten Bauchschmerzen hat sich zudem das Einreiben mit Cannabisöl oder einem entsprechenden Balsam bewährt.
Macht medizinisches Cannabis abhängig?
Auch medizinisches Cannabis kann, wie der Freizeit-Konsum, abhängig machen. Entscheidend ist dabei vor allem der THC-Gehalt: Je höher dieser ist und je länger du Cannabis konsumierst, desto größer ist das Risiko einer psychischen Abhängigkeit.
Im medizinischen Kontext ist das Risiko allerdings gering, da hier das Cannabis kontrolliert dosiert, ärztlich begleitet und meist nur bei bestimmten Symptomen eingesetzt wird. Reine CBD-Präparate gelten sogar als nicht suchterzeugend. Dein Arzt hilft dir, das Abhängigkeitsrisiko so gering wie möglich zu halten und bei Bedarf die Dosis sinnvoll anzupassen.
Unser Fazit: Betroffene sind überzeugt, die Forschung zieht langsam nach
Für viele Menschen mit chronischen Erkrankungen gehört Cannabis längst zum Alltag. Die Nebenwirkungen sind gering, die Wirkungen dafür umso wertvoller. Auch wenn Cannabis noch nicht als Standardtherapie bei Morbus Crohn und anderen Darmerkrankungen empfohlen wird: Betroffene berichten, dass die klassischen Symptome wie Schmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit durch den Konsum massiv verbessert werden.
Trotzdem: Cannabis kann die Krankheit nicht heilen und ersetzt keine konventionelle Therapie. Als hilfreiche Ergänzung ist es aber mehr als sinnvoll. Zentral ist dabei, dass du dich von einem erfahrenen Arzt begleiten lässt, um mögliche Risiken und Wechselwirkungen mit Medikamenten möglichst auszuschließen.