Cannabis gegen Krebs: Hoffnung oder Hype?

Keine Frage: Die Diagnose Krebs gehört sicher zum Schlimmsten, was einem Menschen passieren kann. Für die Betroffenen selbst und die Angehörigen verändert sie das gesamte Leben. Auch wenn inzwischen viele Krebsarten gut behandelbar sind: Eine 100 %-ige Sicherheit für Heilung gibt es nicht.
Mit umso größerem Interesse beobachten Betroffene und Allgemeinheit die Forschung in diesem Bereich. Schon in den 1970ern gab es Laborversuche, die zeigten, dass Cannabinoide - die Hauptbestandteile von Cannabis - das Wachstum von Krebszellen verlangsamen können. Viele Betroffene fragen sich daher bis heute, ob Cannabis nicht nur Symptome lindern, sondern vielleicht sogar gegen den Krebs selbst wirken kann.
Dieser Beitrag beleuchtet die Diskussion um Cannabis bei Krebs und was wir wirklich aus der Krebsforschung wissen. Außerdem zeigen wir, dass Cannabis sehr wohl bei der Behandlung einer Krebserkrankung helfen kann - nur teilweise anders, als es von manchen unseriösen Medien behauptet wird.
Das Wichtigste in Kürze:
- Manche ältere und neuere Studien zeigen im Labor tatsächlich, dass Cannabinoide das Wachstum von Krebszellen verlangsamt. Die Evidenz ist aber insgesamt sehr dünn, die Wirksamkeit beim Menschen nicht nachgewiesen.
- Trotzdem kann Cannabis in der Krebstherapie unterstützend eingesetzt werden - zum Beispiel um Schmerzen zu lindern, Übelkeit zu reduzieren und den Appetit anzuregen.
- Wird medizinisches Cannabis zur Krebstherapie verschrieben, ist auch das nicht ohne Risiken. Betroffene sollten den Einsatz immer mit ihrem behandelnden Arzt absprechen.
Stand der Forschung zu Cannabinoiden und Krebszellen
Schon 1975 wurde ein wissenschaftliches Paper (1) veröffentlicht, das zeigte, dass Cannabinoide im Tierversuch das Wachstum bestimmter Tumorzellen hemmen, ihre Ausbreitung bremsen oder sogar einen Zelltod herbeiführen kann.
Auch in Zellkulturen konnten später ähnliche Beobachtungen gemacht werden. (2) Die Forscher untersuchten die Wirkungen bei verschiedenen Krebsarten - darunter Brust-, Lungen-, Gehirn- und Hautkrebs.
Allerdings handelte es sich bei allen Studien bislang fast ausschließlich um präklinische Studien. Eine Wirkung beim Menschen wurde also nicht bestätigt. Auch zeigen verschiedene Reviews, dass die bisherigen Studien teilweise methodisch angreifbar sind. (3)
Die Ergebnisse sind damit kaum belastbar, eine therapeutische Anwendung zur Heilung von Krebs ist auf dieser Grundlage nicht möglich.
Wie Cannabis wirklich bei (und gegen) Krebs hilft
Auch wenn Cannabis Krebs nicht heilt: Die Anwendung in der Krebstherapie kann trotzdem sehr sinnvoll sein. Die Hanfpflanze enthält über 100 Cannabinoide, darunter THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol). Diese Stoffe wirken auf das körpereigene Endocannabinoid-System, das an der Schmerzverarbeitung, dem Immunsystem, dem Appetit und der Stimmung beteiligt ist.
Gerade bei starken Nebenwirkungen durch Chemotherapie oder Bestrahlung kann medizinisches Cannabis sehr gut unterstützend eingesetzt werden (Supportivtherapie). Viele Anwender berichten, dass sie nach der Verwendung mehr Energie, weniger Schmerzen, weniger Übelkeit und Erbrechen, gesteigerten Appetit und ein insgesamt verbessertes Wohlbefinden verspürten. Auch die Schlafqualität kann durch den Konsum von Cannabisprodukten verbessert werden.
Die allgemeine Verbesserung der Lebensqualität – weniger Schmerzen, besserer Schlaf, mehr Appetit – ist für viele Betroffene ein großer Gewinn. Das hat auch psychologische Effekte: Wer weniger leidet, ist oft motivierter, die oft sehr anstrengende Therapie durchzuhalten. So wirkt Cannabis mittelbar dann doch gegen die Krebserkrankung.
Mögliche Belastung von Organen durch Cannabis
Insgesamt bringt die Anwendung von Medizinalcannabis für viele Betroffene also deutliche Vorteile. Dennoch hat das Mittel - wie jedes andere Medikament - Nebenwirkungen. Manche sind stärker ausgeprägt, andere schwächer. Gerade bei schweren Leiden wie einer Krebserkrankung wiegen jedoch die Vorteile häufig die Nachteile auf.
Neben leichten Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verdauungsproblemen oder Müdigkeit können zudem Nebenwirkungen auftreten, die bei Krebspatienten sogar positiv sind (z.B. gesteigerter Appetit/"Munchies").
In manchen Fällen kann die Behandlung mit Medizinalcannabis jedoch auch Belastungen einzelner Organe nach sich ziehen:
- Lunge: Beim Rauchen können Reizungen und Schädigungen der Atemwege auftreten.
- Herz-Kreislauf-System: THC kann kurzfristig den Puls erhöhen. Bestehen Herzprobleme, ist eine sorgfältige ärztliche Abwägung erforderlich.
- Leber: Bei gleichzeitiger Einnahme anderer Medikamente kann die Leber belastet werden - das ist vor allem für Patienten mit Leberkrebs eine relevante Information.
- Gehirn und Psyche: In Einzelfällen kann es zu Verwirrtheit, Angst oder bei prädisponierten Personen zu psychotischen Reaktionen kommen.
Außerdem bleibt - vor allem bei THC-reichen Sorten - die Gefahr einer Cannabis-Abhängigkeit. Diese sollte auch bei Krebspatienten nicht außer Acht gelassen werden, um langfristige Folgen nach der Krebsbehandlung zu vermeiden.
Grundsätzlich ist Cannabis aber sehr gut verträglich. Negative Effekte sind selten, lassen sich oft durch die passende Dosierung vermeiden und treten meist nur bei langfristigem oder unsachgemäßem Gebrauch auf.
Personen, für die Cannabis nicht geeignet ist
Trotz seiner positiven Eigenschaften ist Cannabis nicht für alle Menschen empfehlenswert. Zu den Kontraindikationen zählen psychotische Erkrankungen oder entsprechende familiäre Vorbelastungen und schwere Herzrhythmusstörungen. Auch Menschen unter 25 Jahren sollten auf den Cannabiskonsum verzichten, da das Gehirn in seiner Entwicklung beeinträchtigt werden könnte.
Zu Anwendung bei Schwangeren und Stillenden gibt es nicht genug medizinische Evidenz, um die Anwendung zu empfehlen. Menschen mit Suchtgeschichte (insbesondere Cannabis-Sucht) sollten ebenfalls auf Cannabis gegen Krebs verzichten.
Soll trotz dieser Kontraindikationen Cannabis eingesetzt werden, sollte dies nur unter engmaschiger Kontrolle erfolgen.
Bei diesen Krankheiten hilft Cannabis erwiesenermaßen
Interessanterweise wird in den Medien vor allem von Cannabis gegen Krebs berichtet. Dass die Medizin Cannabis längst bei vielen anderen Erkrankungen erfolgreich einsetzt, fällt dabei manchmal unter den Tisch.
Dabei gibt es sogar einige zugelassene Arzneimittel auf Cannabis-Basis:
Der Einsatz erfolgt immer individuell und unter ärztlicher Aufsicht - und meist dann, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken oder zu starke Nebenwirkungen verursachen. Hinzu kommen sogenannte Off-Label-Anwendungen, bei denen manche Ärzte in der Praxis ebenfalls mit Cannabisarzneimitteln arbeiten:
Fertigarzneimittel vs. Cannabisblüten
Cannabis-Fertigarzneimittel punkten mit standardisierten Wirkstoffgehalten und lassen sich besonders einfach dosieren - ideal für kontrollierte Therapien und Studien. Allerdings sprechen viele Patienten besser auf natürliche Cannabisblüten an.
Diese enthalten ein breites Spektrum an Cannabinoiden und Terpenen, was die Wirksamkeit verstärkt (sogenannter "Entourage-Effekt". Die Inhalation (z. B. per Vaporizer) sorgt zudem für eine schnellere Wirkung. Zudem können genau die Blütensorten ausgewählt und bei Bedarf angepasst werden, die den bestmöglichen Effekt liefern.
Für viele Krebspatienten auch relevant: Cannabisblüten sind weniger stark verarbeitet als die fertigen Arzneimittel. Gerade dann, wenn man im Zuge einer Chemotherapie ohnehin schon viele Medikamente schlucken muss, kann es eine echte Erleichterung sein, etwas weniger Chemie zu sich nehmen zu müssen.
Voraussetzungen für die Verschreibung von medizinischem Cannabis
Seit dem Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes im Jahr 2017 dürfen Ärzte in Deutschland medizinisches Cannabis verschreiben. Zu den Voraussetzungen gehören ein schwere Erkrankung (z. B. Krebs, Multiple Sklerose, chronische Schmerzen), dass andere Therapien ausgeschöpft wurden oder zu unzumutbaren Nebenwirkungen führen und dass eine begründete Aussicht auf Linderung durch Cannabis besteht.
Nach Ausstellung eines Rezepts durch den behandelnden Arzt kann außerdem ein Antrag auf Kostenübernahme bei der Krankenkasse gestellt werden. Bei Krebserkrankungen wird dieser meist genehmigt.
Fazit: Cannabis hilft bei Krebs - gegen die Nebenwirkungen
So schwer es für Betroffene sein mag: Auch Cannabis ist kein Heilmittel gegen Krebs. Die Hoffnung, die durch bestimmte Studien geweckt wurde, wurde bisher nicht in umfassenden Studien am Menschen bestätigt.
Trotzdem kann Cannabis die Behandlung von Krebs sehr gut unterstützen - und ist dabei schon fast mehr als eine bloße "Supportivtherapie". Weil medizinisches Cannabis die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Betroffenen so stark steigern kann, hilft es den Patienten, die schwierigen Chemo- oder Strahlentherapien durchzuhalten, mit denen der Krebs dann besiegt werden kann. Und wird so doch zu einer kleinen Wunderwaffe im Kampf gegen die Krankheit.