Erfolgreich gegen Fibromyalgie: Cannabis als neue Wunderwaffe?

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Das Fibromyalgiesyndrom (FMS) betrifft etwa 2–4 % der Bevölkerung, überwiegend Frauen leiden darunter. Obwohl die Krankheit mit wirklich starken Beeinträchtigungen einhergeht - etwa chronische, diffusen Schmerzen in Muskeln und Gelenken, Schlafstörungen, Fatigue (starker Erschöpfung) und teilweise sogar kognitiven Beeinträchtigungen - ist sie bis heute oft nur wenigen bekannt.

Auch die genaue Ursache der Erkrankung ist bis heute nicht vollständig geklärt. Man spricht von einem "multifaktoriellen Syndrom", bei dem mehrere körperliche, psychische und neurologische Faktoren zusammenwirken.

Aufgrund seiner Wirkung auf das Endocannabinoid-System (ECS), das an vielen Prozessen im Körper beteiligt ist, interessiert sich die Forschung seit Längerem für medizinisches Cannabis als mögliche Behandlungsoption bei Fibromyalgie.

Tatsächlich gibt es einige vielversprechende Studien zum Thema. Wir schauen uns an, ob die große Hoffnung, die in Cannabis gesetzt wird, begründet ist und wie die Lage in Deutschland aussieht.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Ursachen für Fibromyalgie sind noch nicht abschließend geklärt - man vermutet aber Störungen im Endocannabinoid-System (ECS).
  • Cannabis (besonders die Cannabinoide THC und CBD) beeinflusst das Endocannabinoid-System und kann so Schmerzen, Schlafprobleme und Erschöpfung lindern.
  • Trotz des "Cannabis als Medizin"-Gesetzes 2017 und der Teillegalisierung 2024 bleibt der Zugang zu Cannabis für Patienten mit Fibromyalgie-Syndrom oft schwierig.

Wenn der ganze Körper schmerzt - Leben mit Fibromyalgie

Betroffene beschreiben Fibromyalgie oft als ein Gefühl, als würde der ganze Körper schmerzen. Eine erkennbare Ursache gibt es nicht. Die Schmerzen sind überall; mal ziehend, mal brennend, mal stechend. Für die Betroffenen ist das Alltag: Der Rücken tut weh, die Beine fühlen sich schwer an, und schon eine leichte Berührung kann unangenehm sein.

Doch es geht nicht nur um Schmerzen. Viele Menschen mit Fibromyalgie schlafen schlecht, obwohl sie oft stundenlang im Bett liegen. Sie wachen morgens auf, als wären sie überhaupt nicht zur Ruhe gekommen. Dazu gesellt sich ein lähmendes, dauerhaftes Gefühl der Erschöpfung.

Hinzu kommen weitere Schwierigkeiten: Konzentration und Gedächtnis spielen verrückt, die Gedanken sind wie in Watte gepackt. Betroffene sprechen hier oft vom "Fibro-Fog". Auch die Psyche bleibt nicht unberührt. Viele Betroffene kämpfen mit Stimmungsschwankungen, Ängsten oder depressiven Phasen.

Das Problem: Laborwerte, Röntgenbilder und andere diagnostische Methoden bleiben oft unauffällig. Auch das macht die Erkrankung so belastend: weil sie von außen nicht sichtbar ist und sich keine einfache Ursache finden lässt, kämpfen Betroffene oft jahrelang darum, nicht als "Hypochonder" oder "Simulanten" abgetan zu werden.

Wird dann endlich eine Diagnose gestellt, basiert sie meist auf typischen Symptome und deren Dauer. (1) Obwohl die Krankheit nach aktuellem Stand nicht geheilt werden kann, ist die Diagnose für viele Patienten auch eine Erleichterung - ermöglicht sie doch eine gezielte Therapie mit Medikamenten, Bewegung und psychologischer Betreuung.

Woher kommt Fibromyalgie?

Die genauen Ursachen der Fibromyalgie sind noch nicht vollständig geklärt. Aktuell geht man aber davon aus, dass verschiedene Faktoren zusammenspielen. Im Zentrum steht eine gestörte Schmerzverarbeitung im Gehirn: Das Nervensystem reagiert überempfindlich auf Reize. In der Folge werden zum Beispiel schon leichte Berührungen oder normale Bewegungen als schmerzhaft empfunden. Dieses Phänomen nennt man auch "zentrale Sensitivierung".

Dabei spielen offenbar auch genetische Einflüsse eine Rolle, da in einigen Familien Fibromyalgie gehäuft auftritt. Ähnlich wie bei anderen Erkrankungen (z.B. Depressionen), die ebenfalls eine erbliche Komponente haben, scheinen bei FMS bestimmte Botenstoffe im Gehirn, etwa Serotonin oder Noradrenalin, aus dem Gleichgewicht zu sein.

Diese Stoffe beeinflussen nicht nur die Stimmung, sondern auch, wie Schmerz wahrgenommen wird. Grund dafür ist möglicherweise ein Endocannabinoid-Mangel, also ein zu geringes Niveau von körpereigenen Cannabinoiden.

Stress, psychische Belastungen oder traumatische Erlebnisse - körperlich oder emotional - gelten ebenfalls als mögliche Auslöser. In manchen Fällen geht der Erkrankung auch eine Infektion voraus, etwa mit dem Epstein-Barr-Virus oder nach COVID-19. Auch hormonelle Veränderungen, wie sie in den Wechseljahren oder nach einer Geburt auftreten, könnten eine Rolle spielen.

Fibromyalgie ist also keine rein körperliche oder psychische Erkrankung, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Auslöse- und Risikofaktoren. Ein Biomarker für eine einfache und relativ eindeutige Diagnose wurde bisher nicht gefunden. (2) Das macht nicht nur die Diagnose schwierig - auch die Behandlung von Fibromyalgie braucht oft viel Geduld, bis die passende Therapie gefunden ist.

Koventionelle Fibromyalgie-Behandlung

Weil das Syndrom so komplex ist, muss auch die Behandlung eher ganzheitlich gedacht werden. Neben gezielter Bewegung und Physiotherapie kommen oft Entspannungsmethoden wie Yoga oder Autogenes Training zum Einsatz. Die Linderung von Stress und Anspannung hat sich dabei als verhältnismäßig wirksam erwiesen. Auch psychotherapeutische Begleitung kann helfen,  besser mit der Erkrankung umzugehen und negative Stresskreisläufe zu durchbrechen.

Begleitend werden zudem bestimmte Medikamente eingesetzt, darunter Antidepressiva und sogenannte Antikonvulsiva, die die Nervensignalübertragung beeinflussen. Auch Schmerzmittel kommen zum Einsatz, wirken aber oft nur sehr begrenzt und bringen Nebenwirkungen mit sich, die die positiven Effekte quasi aufheben.

Grundsätzlich gilt ein interdisziplinärer Ansatz, bei dem Ärzte, Physiotherapeuten und Psychologen zusammenarbeiten, als besonders effektiv, um die Symptome zu lindern. Das Problem: Diese Art der Behandlung ist oft langwierig und fordernd für die Patienten, die ohnehin schon mit starken Symptomen zu kämpfen haben. Nicht immer kann ein neues Rezept, z.B. für eine Physiotherapie, rechtzeitig ausgestellt werden, Medikamente sind nicht verfügbar etc.

Cannabis bei Fibromyalgie

Umso interessierter schauten viele Betroffene daher in Länder wie die USA, in denen bereits seit Längerem Cannabis in der Behandlung von Schmerzerkrankungen zum Einsatz kommt. Verschiedenste Studien deuteten darauf hin, dass Cannabis durch seine umfassende Wirkung auf das Endocannabinoid-System Schmerzen, Schlafstörungen, psychische Probleme lindern und die Lebensqualität der Betroffenen stark verbessern kann. (3)

Man vermutet, dass eine Dysfunktion des ECS zur zentralen Sensitivierung beiträgt und damit für den Schmerz im ganzen Körper sorgt. Auch Müdigkeit, Schlafprobleme und psychische Beeinträchtigungen lassen sich vermutlich direkt oder mittelbar auf das ECS zurückführen. (4)

Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) - die Hauptbestandteile von Cannabis - interagieren mit dem Endocannabinoid-System (ECS), das unter anderem an der Schmerzmodulation, Entzündungsregulation und Stimmungsbeeinflussung beteiligt ist.

THC wirkt hauptsächlich über CB1-Rezeptoren im zentralen Nervensystem und kann analgetische, muskelrelaxierende und sedierende Effekte haben. CBD wirkt nicht psychoaktiv, beeinflusst hauptsächlich die CB2-Rezeptoren im Immunsystem und hat entzündungshemmende, anxiolytische und neuroprotektive Eigenschaften.

Der Stand in Deutschland seit 2017

Vor Inkrafttreten des "Cannabis-als-Medizin"-Gesetzes im März 2017 war es extrem schwierig, Cannabis legal medizinisch zu nutzen. Nur wenige, schwerkranke Patienten erhielten Ausnahmegenehmigungen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), um Cannabisblüten über Apotheken zu beziehen.

Ende 2016 gab es etwa etwas mehr als 1.000 dieser Ausnahmegenehmigungen - bei Millionen chronisch kranker Menschen in Deutschland eine verschwindend geringe Zahl.

Für viele Betroffene blieb daher nur die Selbstmedikation mit illegal beschafftem Cannabis - oft über den Schwarzmarkt oder durch Eigenanbau und mit den entsprechenden rechtlichen Risiken. Einige Patienten gingen diese aber bewusst ein, weil herkömmliche Therapien versagten und sie sich durch Cannabis spürbare Linderung versprachen - insbesondere bei Schmerzen, Schlafproblemen und Erschöpfung.

Seit März 2017 dürfen in Deutschland Ärzte medizinisches Cannabis verschreiben, zum Teil bezahlt durch die gesetzlichen Krankenkassen. Die Gesetzesänderung ermöglichte erstmals eine breitere, wenn auch streng kontrollierte Anwendung von Cannabisarzneien. Voraussetzung war (und ist bis heute), dass andere Therapien nicht ausreichend wirken oder mit unzumutbaren Nebenwirkungen einhergehen.

Allerdings zählt Fibromyalgie nicht zu den offiziell anerkannten Hauptindikationen für Cannabis, wie etwa Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen bei Krebserkrankungen. Daher erfolgt eine Behandlung bei Fibromyalgie meist im sogenannten Off-Label-Use.

Ärzte müssen die Behandlung gut begründen, und Krankenkassen prüfen Anträge individuell. Laut Daten der gesetzlichen Kassen lehnen sie etwa ein Drittel der Anträge ab - gerade bei komplexen Krankheitsbildern wie bei Fibromyalgie.

Was hat die Legalisierung gebracht?

Hieran hat auch die Teil-Legalisierung von Cannabis in Deutschland 2024 nur wenig geändert. Durch das Cannabisgesetz (CanG) dürfen Erwachsene nun bis zu drei Pflanzen privat anbauen und eine bestimmte Menge Cannabis zum Eigenkonsum besitzen. Das eröffnet theoretisch die Möglichkeit, sich selbst mit Cannabis zu versorgen - auch zur Selbstmedikation bei Fibromyalgie. In der Praxis ist das jedoch mit Einschränkungen verbunden:

  • Die Qualität der Pflanzen aus privatem Anbau ist schwer kontrollierbar, was Dosierung und medizinische Wirkung unzuverlässig macht. Manche Betroffene berichten, dass Cannabis je nach THC-/CBD-Verhältnise ihre Symptome sogar verschlimmern kann.
  • Ärztliche Begleitung, Apothekenqualität und genaue THC-/CBD-Gehalte fehlen.
  • Für viele schwerer betroffene Patienten ist der Eigenanbau keine realistische Option, sei es aus gesundheitlichen, rechtlichen oder praktischen Gründen.

Medizinisches Cannabis über Ärzte, Apotheken und Krankenkassen läuft weiterhin komplett getrennt vom Freizeitgebrauch.

Cannabis-Medikamente in der Schmerztherapie

In Deutschland sind derzeit einige Cannabis-Medikamente regulär zugelassen, darunter das Mundspray Sativex® (für MS-Spastik), Dronabinol (synthetisches THC) und Nabilon (ein THC-Derivat). Diese Wirkstoffe sind standardisiert, gut dosierbar und pharmazeutisch kontrolliert - was sie besonders für Studien und die ärztliche Verschreibung beliebt macht.

Demgegenüber stehen Cannabisblüten, die in Apotheken in unterschiedlichen Sorten mit variierendem Gehalt an THC und CBD erhältlich sind. Viele Patienten mit Fibromyalgie bevorzugen Blüten, da sie individuell dosierbar sind und als natürlichere Alternative empfunden werden. Gerade bei langjährigen Arzt- und Medikamenten-Odysseen empfinden viele es als erleichternd, mal keine Pille schlucken zu müssen, um Linderung zu erfahren.

Weiteres häufig genanntes Argument: der sogenannte Entourage-Effekt. Man nimmt an, dass die Kombination verschiedener Cannabinoide (THC, CBD, Cannabinol), Terpene und Pflanzenstoffe in der ganzen Pflanze synergetisch wirkt; also stärker oder anders, als isolierte Einzelstoffe es könnten.

Konventionelle Medikamente vs. Cannabis

Kriterium Konventionelle Medikamente Cannabis-Fertigarzneimittel
(z. B. Dronabinol, Sativex)
Cannabisblüten
(inhalativ oder vaporisiert)
Wirkung auf Schmerzen Oft begrenzt wirksam, insbesondere bei chronischen Schmerzen Wirksamkeit individuell unterschiedlich Schnelle, oft spürbare Schmerzlinderung bei vielen Betroffenen
Wirkung auf Schlaf & Fatigue Häufig keine Wirkung oder sogar Verschlechterung (z. B. Schlafstörungen durch Antidepressiva) Teilweise Verbesserung des Schlafs Häufig beruhigend, schlaffördernd, hilft bei Einschlafproblemen
Nebenwirkungen Häufig: Schwindel, Gewichtszunahme, Libidoverlust, Übelkeit Je nach Substanz: Mundtrockenheit, Schläfrigkeit, Schwindel Individuell verträglich, oft weniger belastende Nebenwirkungen
Einstellbarkeit/Dosierung Meist feste Dosis, schlecht steuerbar Standardisierte Dosis, aber nicht flexibel Individuell dosierbar, schnelle Wirkung, bedarfsgerechte Anwendung möglich
Naturbelassenheit Synthetisch oder stark verarbeitet Isolierte Cannabinoide oder standardisierte Extrakte Vollspektrumprodukt mit allen Pflanzenstoffen ("Entourage-Effekt")
Form der Anwendung Oral (Tabletten), oft tägliche Einnahme Mundspray oder Kapsel Inhalation oder Vaporisation
Wirkungseintritt Verzögert, oft nach Tagen bis Wochen Innerhalb von 30–90 Minuten Innerhalb von Minuten nach Inhalation
Psychische Wirkung Kann neutral bis negativ sein (z. B. depressive Verstimmung) Je nach THC-Gehalt möglich Häufig stimmungsaufhellend, angstlösend
Verfügbarkeit über Arzt/Kasse Leicht verfügbar, Kasse übernimmt Erstattungsfähig, aber auf Antrag Nur mit Genehmigung, oft kompliziert zu beantragen
Akzeptanz in der Schulmedizin Hoch, Standardtherapie Mittel, zunehmend eingesetzt Gering, obwohl Erfahrungen von Patient:innen positiv sind
Gesamtnutzen für Betroffene Häufig unzureichend bei komplexem Beschwerdebild Für manche hilfreich Hohe Lebensqualität durch flexible, natürliche und schnelle Wirkung

Um unerwünschte Nebenwirkungen durch medizinisches Cannabis (z.B. psychoaktive Effekte, Abhängigkeit) zu vermeiden, solltest du unbedingt darauf achten, Blüten mit einem passenden THC-/CBD-Verhältnis zu wählen.

Unser Fazit: Vielversprechende Ergebnisse, schwierige Praxis

Wissenschaft und Betroffene sind sich einig: Eine Cannabis-Therapie kann sehr positive Effekte haben - vor allem bei so komplexen Symptomatiken wie Fibromyalgie. Trotzdem ist die Behandlung mit Cannabis längst nicht standardmäßig im Repertoire der Ärzte, eine Kostenübernahme durch die Kassen schwierig. Das hängt sicher auch mit der fehlenden Erfahrung rund um Fibromyalgie allgemein und Cannabis im Besonderen zusammen.

Umso wichtiger ist es, dass Patienten sich selbst umfassend informieren und mit den behandelnden Ärzten sprechen. Spezialisierte Online-Fachärzte können Betroffenen helfen, passend dosiertes, medizinisches Cannabis zu erhalten und eine Linderung ihrer Symptome zu erfahren.

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